Chor im Fokus

AGV Frohsinn Sulzfeld

Der Chor NoName gab Ende 2013 ein Gospelkonzert in der katholischen Kirche in Sulzfeld
(Foto: Bernhard Mikschl)

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Mit neuen Impulsen und viel Frohsinn

bwsb-Jahreshauptversammlung in Sulzfeld im März 2010

Es war ein kurzweiliger, ein hinreißender Vormittag, der den Auftakt zur diesjährigen Jahreshauptversammlung des bwsb bildete. Wir hatten Gäste geladen, die mit einer fantastischen Leistung und Präsenz wirklich unser Herz berührten! Doch der Reihe nach.

Der Vormittag war dem Thema Jugendarbeit gewidmet, bevor sich nach dem Mittagessen die Delegierten in Sulzfeld einfanden, dem kleinen Weinort im Badischen. Herzlichen Dank an dieser Stelle an unsere Gastgeber vom AGV Frohsinn, die uns verwöhnt haben mit Speise und Gesang, und dem Sulzfelder Bürgermeister, der uns mit einer unterhaltsamen Rede willkommen hieß.

Hilfestellung bei der Jugendarbeit

Zunächst warf der Vorsitzende Edgar Kube Fragen in den Raum, warum Jugendarbeit, wie einen Kinder- bzw. Jugendchor aufbauen, wo beginnen die Schwierigkeiten und wo die Chancen? Die anschließende Diskussion unter den Chören des bwsb, die mit dieser Arbeit Erfahrung haben, war lebhaft, informativ und vor allem vielschichtig. Es gibt nicht den einen Weg, sondern ganz unterschiedliche Vorgehensweisen. Und in einem mitreißenden Beitrag hat Gisela Kohner, Vorsitzende der Sängerlust Kornwestheim, zur Bereitschaft aufgerufen, sich zu wandeln, um als Verein „lebendig“ zu bleiben. Auch dazu könne die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen dienen.

Einigkeit herrschte darin, dass es erstens einer engagierten und professionell arbeitenden Leitung bedarf und zweitens, dass die Jugendarbeit nicht funktioniert als Verjüngungskur des „alten“ Chores im Verein. Man war sich auch einig darin, dass die Jugendarbeit schlichtweg Grundlagenarbeit ist, Kinder und Jugendliche ans Singen heranzuführen, ihnen die Möglichkeiten zu geben, – die in unserem Bildungssystem inzwischen so rar sind! – Gefallen am Singen im Chor zu finden. Und wenn dies viele Vereine tun, haben auch viele Vereine die Chance, nicht unmittelbar, aber irgendwann davon zu profitieren mit neuen erwachsenen Mitgliedern. Wichtige Botschaft dabei: Der bwsb kann Hilfestellung geben!

Das Projekt nicht nur mit Rapp-Potential

Was möglich ist, wenn Kinder und Jugendliche die Gelegenheit haben zu singen, und zwar das zu singen, was ihnen gefällt, machte uns die Gruppe von der Hauptschule Innenstadt – kurz HSI – aus Tübingen vor, zusammen mit ihrem Musiklehrer Hans Weiblen, der übrigens selbst im Gönninger Gospelchor (bwsb-Mitglied) aktiv singt. „HSI-project“ wurde das Ganze genannt, das seit neun Jahren an der Ganztagsschule im sozialen Brennpunkt besteht und mittlerweile zu einer beachtlichen Erfolgsstory wurde. Zahlreiche Preise und Einladungen von der Bertelsmann-Stiftung bis zum Bundespräsidenten Köhler und sogar in die USA sprechen für sich.

Für die Kinder, die aus schwierigen, familiären Zusammenhängen, zu 40 Prozent mit Migrationshintergrund, entstammen, ist dies natürlich eine großartige Erfahrung, die sie mit in ihr Leben nehmen können: etwas Ureigenes kreieren (die Texte zu den Musikstücken sind allesamt selbst geschrieben, in einem langwierigen Prozess, zu dem alle gleichberechtigt beitragen, nicht zu vergessen die Bühnenchoreografie), damit an die Öffentlichkeit gehen und sich zeigen dürfen, und den Applaus und Erfolg mit nach Hause nehmen! Darauf bezog sich auch der entscheidende Tipp von Weiblen an alle, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Das Wichtigste sei, dass was rauskommt, will heißen, die Kinder und Jugendlichen sollten möglichst zeitnah ein Erfolgserlebnis haben und die Früchte ihrer Arbeit auch ernten dürfen. Und noch etwas gab er uns allen mit auf den Weg. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, Stichwort „Vernetzung“: d.h. Kooperationspartner finden, Menschen, Künstler, Laien, Fachpersonal mit Know-how, das uns als Vereine fehlt.

Vorsicht! Hier werden Kinder ernst genommen

Weiblen stellte „sein“ Projekt in einem spannenden Vortrag, gespickt mit Humor und Sympathie für seine Kids, vor. Wie ist dies möglich, was steckt dahinter? Eigentlich ein ganz einfaches pädagogisches Konzept. An dieser Tübinger Schule werden die SchülerInnen in ihrer Ganzheit gesehen und auch so behandelt. Der ganze Stundenplan und Unterricht basiert auf folgender Philosophie und Grundeinstellung: Menschen haben nicht nur einen Kopf, der mit (Schul-)Wissen vollgestopft werden muss, wie es unser Schulsystem leider vorsieht, sondern außerdem Gefühle UND einen Körper. Dem kann Weiblen im HSI-project gerecht werden: Die SchülerInnen texten, dafür braucht man bekanntlich seinen Kopf, sie singen und tanzen und rappen und swingen. Und sie singen über ihre ureigensten Erfahrungen im Leben, ihre Wünsche, Sorgen und Ängste: Gefühle eben. „Care for me“ heißt beispielsweise der jüngste Song aus dem Projekt, „sorg für mich, sorg dich um mich“, und damit sind die eigenen Eltern gemeint, und was sie von ihnen erwarten – eigentlich!

Auf der Sonnen- und Schattenseite des Lebens

Nach dieser Einführung waren sie schließich selbst dran und trugen uns Stücke aus dem Projekt vor. Jedes Schuljahr entsteht eines, das am Ende professionell im Studio aufgenommen wird. Dann muss alles klappen, denn Zeit ist hier wirklich Geld. Weshalb sie lange und ausdauernd vorher geprobt haben. So ist auch eine CD erhältlich, ein Stück Erfolg also, das man sowohl in die Hand als auch ans Ohr nehmen kann. Um es kurz zu machen: Es war die reine Freude, diesen pubertären Jugendlichen zuzuhören und zuzusehen.

Um auch die andere Seite zu erwähnen, Weiblen ergänzt es später, als die AkteurInnen den Saal verlassen haben. Er könne sich nie sicher sein, ob tatsächich alle rechtzeitig am vereinbarten Treffpunt sein würden. Zwar könne er mit Fug und Recht behaupten, dass ihre Hauptschule mit dem Motto „Tu nichts, was andern schadet oder weh tut“ gewaltfrei sei, aber das Leben der Kinder und Jugendlichen außerhalb der Schule gehorche eben doch ganz anderen Gesetzen …

Ein Antrag mit Anlaufschwierigkeiten

Nachdenkliche und hoffnungsfrohe Töne also, mit denen der inoffizielle Teil der Jahreshauptversammlung am Vormittag zu Ende ging. Und gleichzeitig in engem Zusammenhang mit dem Antrag, den der Ausschuss später den Delegierten präsentierte. Es sollte darüber abgestimmt werden, ob der bwsb die bereits bewilligten Gelder vom Kultusministerium für ein auf zwei Jahre angelegtes Integrations-Projekt für Jugendliche mit Migrationshintergrund annehmen oder das Projekt – mangels Interesse seiner Mitglieder – ablehnen sollte. Eine intensive Diskussion zeigte, wie vielschichtig das Thema ist und aufgefasst wurde. Nicht einfach zu vermitteln war, dass die Gelder für ein Projekt mit Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund gewährt werden, dass „Integration“ aber natürlich auch die deutschen Kinder und Jugendlichen mit einschließt. Der Antrag wurde schließlich nach einigen nötigen Klärungsversuchen einstimmig angenommen: Der bwsb wird sich in der ersten Phase (im Bewilligungsjahr) auf die Suche nach geeigneten Ideen, Projekten und Ressourcen machen – Stichwort Vernetzung! – und dafür mit Workshops, die im Sommer bzw. Herbst geplant sind, seinen Mitgliedern Hilfestellung geben. D.h. auch die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Gelder für die Verwirklichung eines solchen Projektes im 2. Jahr der Umsetzungsphase sinnvoll eingesetzt werden können.

Schön zu sehen, dass die Wahl eines Jugendreferenten vor einem Jahr wie eine Initialzündung gewirkt hat und Bewegung in die Jugendarbeit des bwsb gekommen ist. Denn es waren sich alle Anwesenden der Versammlung einig, dass die Situation für Schul- und Vorschulkinder, die Musik machen wollen, keinesfalls rosig ist. Im Gegenteil. Im Kindergarten wird kaum mehr gesungen und innerhalb der Schulen wird der Musikunterricht ja schon seit Jahrzehnten zuerst gestrichen, wenn Geldmangel herrscht. Und kommen sie dann in die Kinder- oder Jugendchöre, so die Erfahrungen unserer Vereine, dann macht sich ganz schnell der Leistungsdruck, dem selbst schon die GrundschülerInnen ausgesetzt sind, bemerkbar. Fürs Singen bleibt wieder am wenigsten Zeit!

Die harten Fakten der Versammlung

Weitere wichtige Entscheidungen an diesem Tag waren die Wahlen. Edgar Kube und die Autorin dieses Artikels wurden als 1. Vorsitzender bzw. Pressereferentin wiedergewählt, außerdem die 2. Kassiererin (und langjährige 1. Kassiererin) Rosemarie Schmidt. Es gab Berichte vom DCV und von deren leidigem Versuch, eine neue Software für die Mitglieder-Verwaltung ans Laufen zu bringen, die unserem 2. Vorsitzenden Rainer Klüting hoffentlich nicht seinen wachen Verstand rauben wird. Dann stand selbstverständlich der Bericht der Kassenprüfung an, der unserer 1. Kassiererin Anna Krieb ein dickes Dankeschön einbrachte.

In den Tätigkeitsberichten stach vor allem Herbert Mais sehr beliebter Workshop „55plus“ hervor sowie die Aktivitätenliste unseres Jugenreferenten Wolfgang Rund, der ja die ersten 100 Tage seines Amtes längst hinter sich gebracht hat, die nach eigenen Angaben eine Zeit des Lernens waren. Wer schon einmal plötzlich InhaberIn eines Ehrenamtes wurde, kann ermessen, was das heißt! Nicht zuletzt war auch beeindruckend, was so ein Vorsitzender doch alles an Terminen und Papierkram zu erledigen hat. Allem voran läuft die Organisation unserer nächsten Chorischen Begegnung am 13. Juni 2010 auf Höchsttouren, Gastgeber bekanntlich auch hier die Sulzfelder. Zu vermelden gab es einen Austritt, die Lassalia Neckarsulm hat sich dem SCV (vormals Schwäbischer Sängerbund) angeschlossen.

Trotz langer und lebhafter Diskussionen endete die Versammlung innerhalb des Zeitrahmens. Manch einer genoss noch den wohl schmeckenden Wein unserer Gastgeber-Gemeinde, bevor die bequeme Heimreise – für die Stuttgarter im eigens angemieteten Bus – angetreten wurde. Und wer den Vormittag miterlebt hatte, tat dies ganz sicher mit einem Lächeln im Herzen.

von: Gabriele Gack